dok leipzig 2018

30. Oktober 2018

Die wollen nur spielen Anmerkungen zu Lord of the Toys, dem Gewinner des Deutschen Wettbewerbs der 61. Leipziger Dokwoche

Von Matthias Dell

Lord of the Toys © Filmakademie Baden-Württemberg

 

Der erhobene Zeigefinger doesn't live here anymore. Aber er wird permanent gebraucht, um schlichteste filmische Analysen zu liefern, indem man sich von ihm distanziert: In dem Q&A nach der Vorführung von Lord of the Toys von Pablo Ben Yakov und André Krummel im Deutschen Wettbewerb des Leipziger Dokumentarfilmfestivals lobte der Moderator den Film, weil er ohne «Zeigefinger» auskäme.

Das ist die Streichholzschachtel, in der Filmdiskussionen selbst von denen geführt werden, die das Programm eines großen Festivals verantworten – als ob es im weiten Feld filmischen Erzählens nur die Wahl zwischen einem Lehrprogramm («Zeigefinger») und dem unterreflektierten Fasziniertsein gäbe, von dem Lord of the Toys ergriffen ist.

Der Film begleitet eine Gruppe Dresdner Jugendlicher im Führerscheinalter, die um ihren Star Max «Adlersson» Herzberg herum Erfolg als Youtuber suchen. Gegen die Vorführung des Films hatte sich Protest von linken Gruppen geregt, weil Herzberg & Co. ihre Parodien von Influencer-Praxen (Wortspiele, Unboxing Videos) rechts codieren. Es gibt Verlikungen mit Identitären auf Instagram; im Film stellt eine junge Frau zwei der jungen Männer sich gegenseitig als gemeinsame Mitglieder der rechtsextremen Kleinpartei «III. Weg» vor.

Die Filmemacher können in den Statements zu ihrer Arbeit (etwa hier ab Minute 17:45) keine politischen Überzeugungen entdecken, sondern lediglich ein «enorm leichtsinniges Aufmerksamkeitstool». Wann sich das Spiel mit Posen zum Ernst von menschenverachtender Ideologie auswächst, wo das vermeintlich Andere, Eigentliche von Menschen stecken soll, die sich permanent durch herablassendes, gewaltaffines Sprachmaterial verständigen – das alles ficht solche Beschwichtigungen nicht an.

Sind gute Jungs, die wollen nur spielen, bisschen provozieren, und wenn sich daran jemand stört, dann greifen wir halt zum «dünnsten, schwächsten, dazu billigsten und falschesten, wenn nicht reaktionärsten aller Gratislobe» (Diedrich Diederichsen, 1996) und sagen: «inkorrekt». Die unhinterfragte Großraumvokabel aus dem «P.C.»-Diskurs kam beim Q&A auch zum Einsatz. Und Protagonist Herzberg durfte bei dem Filmgespräch irgendwann auch nach vorne, um sich in beamtenhafter Selbstkritik («Derartige Äußerungen zu tätigen ..») zum Vorwurf seiner menschenverachtenden Sprache zu verhalten.

Dabei griff er auf den privatphilologischen Hinweis zurück, dass «Schwuchtel» in seiner Gruppe etwas anderes meine («weil wir es anders werten») als im allgemeinen Sprachgebrauch. Was in der Bereitwilligkeit, wie solch eine Erklärung von den Filmemachern und der Moderation hingenommen wird, das Problem von Lord of the Toys auf den Punkt bringt: Eine Auseinandersetzung mit dem, was die portraitierten Youtuber denken, meinen, verbreiten, wird – gerade wenn unterstellt, dass Sozialisation mit Nachplappern anfängt – nicht erst versucht, weil die Faszination für das differente Leben der «Jungs» so groß ist. Wie aber soll je eine Kommunikation stattfinden, wenn alles Gesagte damit entschuldigt werden kann, dass es in anderer Weise (welcher genau, wäre schon mal die einfachste Gegenfrage gewesen) gemeint ist? Wie können Leute, deren Öffentlichkeiten die Zuschauerzahl eines jeden Dokumentarfilms locker übersteigt, sich damit schützen, dass ihr Reden bloß privat sei?

Dass Filmexpertise nicht die größte Stärke von antifaschistischer Kritik ist, lässt sich konzedieren, wenn Tweets daran erinnern, dass das Team von Lord of the Toys in wechselnden Verantwortlichkeiten 2017 bereits den Dokumentarfilm Meuthen's Party (Regie: Marc Eberhardt) verantwortet hat. Eberhardt begleitete den AfD-Politiker durch den Wahlkampf in Baden-Württemberg bis hin zu seiner ersten Rede im Stuttgarter Landtag. Diese Beobachtung ist schon deshalb beredt, weil sie immer Beobachtung der Beobachtung ist: Die Kamera zeigt, wie verschieden Meuthen in Öffentlichkeiten auftritt, als Redner auf Parteiveranstaltungen, als Gast im Fernsehen. Wie er vor dem Radiomikrofon semantische Ausweichbewegungen vollführt, um Äußerungen von Parteifreunden zu entschuldigen, und wie er im Auto gegenüber den Filmemachern vorsichtig eine deutlichere Aussage dazu streift. Wie er in solchen Situationen weiß, dass Claudia-Roth-Verunglimpfungen reine Propaganda sind und wie er dann auf der Parteitagsrede die Zustimmung freudig-lachend genießt, die ihm für die richtigen Buzzwords («Claudia Roth», «Heiko Maas») entgegenwallt. Wie Ton und Bild abgestellt werden müssen, wenn Markus Frohnmaier anruft («einer unserer umstrittensten»), wie der Film wiederum aus der Distanz allein durch den Ton eine kurze Verständigung auf dem Parteitagspodium mit Gauland und Storch einfängt, sich gegen – die links daneben sitzende – Petry zu verbünden.

Lauter Momente, die ein differenziertes Bild Meuthens zeichnen (was heute so vielleicht gar nicht mehr möglich wäre; der Film profitiert auch von der naiven Freude Meuthens, sich an seine Wichtigkeit zu gewöhnen), der wie kein zweiter als scheinbar bürgerlicher Teddybär der AfD kalkuliert Karriere macht mit Hass und Hetze. Der Sinn der Beobachtung erschließt sich unmittelbar, weil durch die Kontinuität des Begleitens das On der öffentlichen Bilder permanent um das Off des sprachlich-kommunikativen Nebenhers ergänzt wird. Meuthen's Party verdoppelt die Selbstinszenierung des Politikers nicht, sondern macht sie sichtbar im Gang durch wechselnde Kulissen.

Und: Der eine Augenblick, in dem die Filmemacher aus ihrer Beobachterposition hervortreten und mit Fragen in die filmische Erzählung intervenieren, zeigt so gut gewählt Wirkung. Vom Fahrer Meuthens, der den Politiker als Mitarbeiter zugleich mit «Daten» versorgt, will das Filmteam wissen, woher er seine Daten habe. Der Fahrer erzählt von einem «talk of the town» in einer Stadt, in der man gerade gewesen sei, wo angeblich ein Handy aus der Silvesternacht von Köln gefunden worden ist, worüber die Medien natürlich schwiegen. Auf Nachfrage muss der fahrende Datensammler dann aber zugestehen, dass er das Gerücht selbst noch nicht verifiziert habe (was ihn in dieser Phase von Meuthens Kampagne offenbar noch davon abhält, es zu verbreiten) – und was den Vorwurf an die Medien in einer argumentativen Kreisbewegung wiederum selbst dementiert.Eine Szene, die zeigt, wie dumm die Windmühle des «Zeigefingers» als Reduktion von filmischen Mitteln der Erzählung ist.

Durch den Vergleich mit Meuthen's Party wird die Schwäche von Lord of the Toys noch deutlicher. Die rechten Youtuber mögen Stoff für einen Dokumentarfilm sein (ab und zu blitzt ihre Verlorenheit auf, die Elternlosigkeit, die Mühen der Youtube-Fron), aber durch reines Zugucken erkennt man hier nichts. Schon weil das Medium ihrer Öffentlichkeit ein anderes ist, die Praxis der Youtube-Filme sich, anders als bei Meuthens Auftritten, kaum von den Aufnahmen unterscheidet, die beim Drehen dieser Videos gemacht werden (weshalb gerade diese Szenen unglaublich nichtssagend sind). Lustigerweise hat Herzberg beim Filmgespräch zwar erklärt, das, was er im Film sage, würde er öffentlich nicht sagen – was als unbewusste mediale Hierarchisierung schön zeigt, dass der Dokumentarfilm für jemanden mit sechsstelligen Abonnenten-Zahlen als konkurrierendes Angebot von Publizität vernachlässigenswert ist.

So ergötzt sich der Film an seinem Director's Cut der Auftakt-Saufszene, die in Einzelteilen doch permanent von den Handys der Trinkenden selbst gefilmt wird. Solche Szenen antibürgerlicher Stumpfheit galten der Leipziger Auswahlkommission offenbar als total freshes «Direct Cinema», wobei der Film von Ben Yakov und Krummel nicht mal das ist: Kat Kaufmann hat einen gefühligen Soundtrack geschrieben, der zumeist das Drastische verstärkt, zwischendurch aber auch mal melancholisch tönt. Wenn die Kamera nicht ganz nah dran ist, schaut sie aus der Distanz auf das nächtlich erleuchtete Dresden; am liebsten auf einen im Film nicht verorteten Plattenbau, der vermutlich als Elendsmetapher den schaurig-schönen Schrecken bündeln soll. Die Aneignung der ach so fremden Welt endet ästhetisch in der Werbefilmschickheit, die man in Ludwigsburg offenbar gratis mitbekommt, während Fragen der Einstellung, zum Standpunkt der Aufnahme, dem Verhältnis der Macher zum Gegenstand beim Studium keine Rolle zu spielen scheinen.

«Moralisch» ist der Film übrigens durchaus: Am Anfang wird der Glückwunsch-Brief vom Youtube-CEO verlesen, den bekommt, wer über 100.000 Abonnenten hat. Die technisierte Stimme soll wahrscheinlich vorführen, wie kalt und zynisch das böse Business agiert, dem völlig schnurz ist, was diese 100.000 Abonnenten da serviert bekommen. Diese «Seht her»-Bedeutungsproduktion wird von der besinnungslosen Nähe der Filmemacher aber völlig kassiert, was gegen Ende des Films noch sichtbarer wird, wenn die Kamera auf einem AfD-Plakat verweilt, das die deutsche Frau gegen sexuelle Übergriffe schützen will. Nach einer Szene, in der das Nazi-Girlie von einem Nicht-Arier auf dem Jahrmarkt angesprochen worden ist, was, so legt es die hektische Erzählung nahe, in einer Schlägerei resultiert (wobei sich Kameramann Krummel im Q&A noch ärgerte, reflexhaft das Bild abgeschaltet zu haben, statt draufzuhalten auf die Gewalt – warum, ist dann natürlich auch keine Frage, die der Moderator an ihn haben will). In dieser Schnittfolge verliert das AfD-Plakat jede Differenz; im Gegenteil: es affirmiert.

Lord of the Toys ist filmisch ein Graus (und eben deswegen: auch politisch), weil er seine eigene Begeisterung über die so krass anderen Jugendlichen nicht rationalisiert bekommt (Kameramann Krummel erzählte, er habe immer erst abends beim Angucken der Muster verstanden, was er da gedreht hatte). Redundante Saufgelage reihen sich dramaturgisch öde aneinander, Inserts versuchen der Orientierung zu dienen, die sich aus der Erzählung nicht ergibt. Aber der Leipziger Katalogtext dichtet begeistert: «Das Fäustchen des Ostens riskiert dafür [krass zu sein] auch mal die Nazilippe und Cybermobbing, das im Realen eskaliert.» «Nazilippe riskieren» – wie kann man auf so einen Schwachsinn kommen?

Im Q&A erklärt der Moderator, ihn habe schon begeistert, dass der Filmtitel klingt wie Lord of  the Flies, William Goldings Roman, der 1954 von englischen Youtubern im Alter von 6 bis 12 auf einer einsamen Insel erzählt. Nicht.

Die Distanz, die den Filmemachern fehlt, hat das Leipziger Festival mit seiner Auswahl und letztlich Auszeichnung (Goldene Taube im Deutschen Wettbewerb) reproduziert. Film wird geguckt wie Tiere im Zoo, was jegliche Reflektion über filmisches Erzählen betäubt: Dass zu der Gruppe ein Afrodeutscher gehört und Herzberg im zähen Finale einen seiner Buddies auf den Mund küsst, reicht in solch einer schlichten Wahrnehmung dann als Ausrede, dass Rassismus oder Homophobie unmöglich in the House sein könnten. Können sie aber nur nicht, wenn man jede Oberfläche schematisch nimmt, von Rassismus nichts versteht und von männerbündlerischer Homoerotik noch nie gehört hat.«Man kann damit sehr leicht Aufmerksamkeit erregen, und das wird von den Jungs eben genutzt», hat Filmemacher Ben Yakov im Fernsehinterview über seine Protagonisten gesagt. Nach der Erfahrung von Leipzig 2018 lässt sich feststellen: Hat super geklappt – bei den Filmemachern, der Auswahlkommission und der Jury.

 

 

© A&E Networks

 

Teil I

Weltpremierenkritik. Werner Herzogs Meeting Gorbatchev eröffnet das 61. Dokumentarfilmfestival von Leipzig

Festivaleröffnungen sind eine Sache für sich. Die Politik, die das Geld bewilligt, kommt vorbei, um Öffentlichkeit zurückzubekommen. Die Reden folgen dem Protokoll, das bei dem ersten Abend des 61. Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm, wie die einstige «Dokwoche» offiziell heißt, einen Upgrade des Lokalen vor dem Föderalen vorsah. Weil das sächsische Wissenschafts- und Kunstministerium nicht die Ministerin, sondern den Staatssekretär schickte, rutsche die für Kultur zuständige Leipziger Bürgermeisterin an die erste Stelle der Begrüßungsformeln, mit denen Festivalleiterin Leena Pasanen an den Start ging.

Pasanen ist eine schmucklose Rhetorikerin (und eine zurückhaltende Repräsentantin), die sich aber durchaus zu profilieren weiß. Im letzten Jahr versprach sie, eine Frauenquote auszuprobieren (50/50), um das Missverhältnis der Geschlechter bei Einreichungen und Auswahl zu beheben. In diesem Jahr kann bereits Planerfüllung vermeldet werden: das Geschlechterverhältnis steht 91 (Männer) zu 92 (Frauen). Ob diese Ausweitung der Konkurrenz die Qualität des Programms verbessert (weniger schlechte Filme von Männern), werden die nächsten Tage zeigen. Was Qualität in Leipzig auch erschwert, ist absurderweise der Status des Festivals: Wer in der ersten Liga mitspielen will, muss Premieren aufführen – was für die Wettbewerbssektionen (international/deutsch) dann mitunter Fadheit bedeutet, weil Filmemacherinnen vielleicht doch lieber auf die Berlinale warten oder vorher schon sonstwo waren.

Das Festivalbranding hat dafür ein breites Register von abgestuften Uraufführungen entwickelt. In dieser Logik konnte Milo Raus deutsch-schweizerische Ko-Produktion Das Kongo Tribunal letztes Jahr in Locarno Weltpremiere feiern, in Leipzig die Internationale Premiere und in Kopenhagen noch mal eine Internationale, weil Locarno und Leipzig zugleich als Nationale Premieren interpretierbar sind.

Diese Dehnbarkeit von Exklusivbegriffen aus Sehnsucht nach Statusbeschwörung bezeichnete Pasanen in ihrer Rede zu recht als «fake game»; sie will künftig weniger auf solche Aspekte achten, um interessante Filme nach ihren A-Premieren nicht mit Öffentlichkeitsentzug zu bestrafen. Als Vorgucker dient in diesem Jahr die Sektion «Spätlese», die Filme zeigt, von denen die Auswahlkommission will, dass sie gesehen werden, auch wenn sie formal für Leipzig nicht in Frage kommen; darunter ist etwa Vitaly Manskys in Karlovy Vary bereits ausgezeichneter Film Putin's Witnessess.

Ob Leipzig mit der Duisburgisierung der Auswahl tatsächlich eine strukturelle Änderung in der Festivalszene anstoßen kann, bleibt abzuwarten. Unklar ist, wie Status definiert werden soll, wenn Exklusivvokabeln unter Filmtiteln wegfallen (die ja nicht zuletzt für featurende Medien in der gleichen Logik eine gewisse Relevanz haben). Für den Move spricht, dass er auf der Hand liegt in einer Zeit, in der Exklusivität eh prekär wird ob der zeitsouveränen Dauerkonkurrenz durch Streamingdienste und Internetverbindungen.

Sicher ist, dass das Strukturfragen für die (nähere) Zukunft von Festivals sind. Auch weil in der unmittelbaren Gegenwart der Leipziger Eröffnung am Montagabend ausgerechnet Werner Herzogs Dokumentarfilm Meeting Gorbatchev als «Europäische Premiere» folgte – der Film, der Pasanens Rede umgehend ad absurdum führte. Denn in dem Projekt geht es um nichts anderes als Status (wie schon an den gezückten Smartphones bei Herzogs Rede zu erkennen war): Ein großer Name verbindet sich mit einem noch größeren Politikernamen, MDR und Arte geben Geld und Leipzig als deutscher Premierenort seine Geschichtskulisse («Heldenstadt», 1989 und so). 

Lauter sich gegenseitig versichernde Trademark-Begegnungen auf niedrigem Niveau. Zu behaupten, dass sich zwei Großkopferte «auf Augenhöhe» begegnet seien, wie die überschwängliche Moderation das tat, ist schon deshalb schwierig, weil Gorbatschow auf Herzogs englische Fragen russisch antwortet, was dann aber dem im Bild sichtbar sein müssenden Gesprächspartner (ein Herzog-Film braucht Screentime für Herzog) erst mal übersetzt werden muss, worauf Gorbatschow wartet – oder auch nicht; manche Pause könnte als bedeutungsvolles Blicken gelesen werden («Merkste selber»), was den eh schon nickenden Herzog noch mal mehr nicken lässt. Wie auch immer: Es kommt mehr als einmal vor, dass wegen der umständlichen Kommunikation Herzog Gorbatschow ins Wort fällt, weil der sich in seiner grundsätzlichen Kalenderspruchhaftigkeit noch einen zweiten Satz leistet.

Wobei Herzog auch gar nicht fragt, also in dem Sinne, dass er etwas wissen will, sondern dem Interviewten seine performativ ja sehr anregende Bewunderung zu Füßen legt, worüber der Film erst gegen Ende gemerkt zu haben scheint, dass die Gorbatschow-Biographie nach 1990 rapide an Heldenverklärungspotential verliert. Kohls Sicherheitsberater Horst Teltschik muss dann auf Aufforderung Herzogs beschreiben, dass Gorbatschow eine tragische Figur ist. Er macht das so mittel – gemessen an der Dicke des Gefühlsbelags, den die Musik über den Film streicht. Und Herzog flüchtet sich noch mal zur toten Gorbatschow-Gattin Raissa, damit der Film nicht so traurig zu Ende geht.

Es gibt in Meeting Gorbatchev durchaus herzoghaft-komische Momente, wenn die österreichische Nachrichtensendung am Tag des Stacheldrahtabbaus zwischen Österreich und Ungarn im Frühjahr 1989 von der ersten Meldung an gezeigt wird – eh das Loch im Eisernen Vorhang reportiert wird, werden Tipps verbreitet, wie Nacktschneckenplagen zu bekämpfen sind (durch Bier).

Gorbatschow erweist sich derweils als der falsche Gegenstand für Herzogs mahnend auf seiner German-Englisch herumhackenden Begeisterungsbereitwilligkeit – anders als mit dem Geld, das an Veronica Ferres hing (Salt and Fire, 2016), hat der an Politik und Macht offenbar desinteressierte Herzog mit dem Geld, das sein «Meeting» mit Gorbatschow versprach (die meiste Zeit ist eh Footage) nichts anfangen können.

Aber auf dem Papier sieht alles gut aus. Status is in the house.