berlinale 2009

8. Februar 2009

Eine Bar an der Mauer City of Borders von Yun Suh (Panorama)

Von Bert Rebhandl

Die Mauer ist das sichtbarste Zeichen der Grenzen, von denen das Leben der Menschen in Israel und Palästina bestimmt wird. Sie endet manchmal im Irgendwo, dann wieder kann man schier endlos daran entlanglaufen. Der Dokumentarfilm City of Borders von Yun Suh beginnt damit, dass palästinesische Jugendliche durch eine Lücke in der Absperrung nach West-Jerusalem eindringen, um dort eine Nacht lang im Shushan zu feiern, einer Queer Bar, die zwischen allen Grenzziehungen einen Ort transgressiver Gemeinsamkeit bildete. Diese Gemeinsamkeit steht von vielen Seiten unter Druck. Denn in Fragen der sexuellen Politik sind die Vertreter der monotheistischen Religionen, die in Jerusalem jeweils Anspruch auf die verbindliche Version des Gottesglaubens und auf die heiligen Stätten erheben, einen Sinns: Homosexualität ist widernatürlich, das steht so schon in den heiligen Schriften. City of Borders stellt einige Protagonisten in den Mittelpunkt, die Grenzen überwinden: Boody, ein Palästinenser und gläubiger Muslim, ist auch eine der beliebtesten Drag Queens im Shushan. Er findet sich am Ende des Films in den USA wieder, in gänzlich neuen Lebensumständen. Samira und Ravit sind ein Paar, das für viele Menschen doppelt anstößig ist, denn Samira ist Jüdin, Ravit ist Araberin. Dass die beiden Frauen lesbisch sind, ist für viele dabei leichter zu verkraften, als dass sie unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zugehören. Damit ist das eigentliche Thema von City of Borders benannt: Es geht um eine Hierarchisierung von Differenzen. Die Geschlechterdifferenz steht unter dem Druck einer «natürlichen» Ordnung, in der Landansprüche und Moralcodices aus den selben vormodernen Quellen hergeleitet werden. Es gibt Leute in Israel, die den Schwulen und Lesben von Jerusalem einfach einen neuen Exodus nahelegen, in das viel liberalere Tel Aviv. Das Shushan, das es mittlerweile nicht mehr gibt, erscheint in City of Borders aber gerade seiner exponierten Lage wegen als Ort, an dem Sexualität ganz unmittelbar politisch wird. Die Jerusalemer Pride Parade, die 2006 wegen des Libanonkriegs abgesagt werden musste, wird zu einer spezifischen Form von Friedensbewegung, die Aggressionen, die sie auslöst, machen aber auch deutlich, wie stark Israel von fundamentalistischen Kräften geprägt wird.