literatur

30. Oktober 2009

Abfall für alle Rainald Goetz und der «antifiskalische Bürgerkrieg»

Von Bert Rebhandl

Der von Peter Sloterdijk ergangene Aufruf zu einer «Revolution der gebenden Hand» («Abschaffung der Zwangssteuern und deren Umwandlung in Geschenke an die Allgemeinheit») hat eine kleine Gelehrtendebatte ausgelöst, zu der ein wichtiges Wort jedoch bisher weitgehend übersehen wurde. Es stammt von Rainald Goetz:

Ich hatte aus meiner eigenen Steuerzahlerpraxis, die es, seit ich korrekt Steuern zahlte, an Absurdheit mit jedem anderen Steuerzahlerschicksal sicher gut aufnehmen konnte, die genau gegen diese Absurdheitszumutungen sich auflehnende Akzeptanzidee entwickelt, dass es jenseits des Geldes, des vom Staat als Steuerschuld von mir geforderten Betrags, um etwas anderes ging in Sachen Steuerpflicht, dass in der dauernden Belegpflicht nicht nur meiner Ausgaben, sondern meines ganzen Lebenswandels, mir vom Staat ein Abhängigkeitssignal übermittelt und zugestellt wurde, mit der Aufforderung verbunden, mich mit dieser Abhängigkeit vom Staat einverstanden zu erklären. Und dann dachte ich an den Wasserhahn, aus dem das berühmte warme Wasser des Luxus, hier in unseren Welten leben zu dürfen, kam, und sagte: ja, Staat, Gefangener bin ich, ich wäre gern frei, aber wenn ich dafür mit einer Pistole herumrennen und mich gegen die Räuber, die mich ausrauben wollen, selber schützen müsste, den Strom, mit dem mein Computer läuft, selber mit einer von mir selber noch zu erfindenden und dann auch noch dauernd mit den Füßen tretend zu betreibenden Generatormaschine erzeugen müsste, jede Nachricht an irgendwen eigenhändig usw usw, will ich lieber der Gefangene, ein unfreier lächerlicher Steuerbürger dieses Staates sein, den die Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft in nicht so ganz gering zu schätzender Weisheit im Laufe der letzten paar hundert Jahre sich so zurechtgeformt hatte, irgendwie schrecklich, ganz ersetzbar wahrscheinlich nicht so leicht, und von alledem also würde das Symbol Steuerzahlung im konkreten Fall der Mühsal, die sie jedem machte, für jeden, der das so sehen würde wollen, immer wieder handeln. (Loslabern, 2009, S.100f.)

Tolle Stelle, übrigens tatsächlich direkt gegen Sloterdijk gewandt, der «ein bisschen lustigen Debattenwind durch das von ihm als vielleicht ein bisschen zu langweilig empfundene Habermasien» hat fahren lassen.

Nachzufragen wäre bei Goetz, ob sein Staat, den er ja zwischen Hobbes und Vattenfall verortet, nicht doch deutlich vor der Privatisierung der Infrastruktur aufhört, und ob die Bundesnetzagentur als Gewährsstelle für das Allgemeininteresse an Wasser usw usw hinreicht?

Lesen Sie in unserem nächsten Heft cargo #4: Romuald Karmakar über Aktivkohlefilter