musik(video)

18. November 2008

Will Sheff Über Will Sheff und seine Band Okkervil River. Seine Texte zum Film. Seine Texte zur Musik. Seinen Text zu traurigen Liedern. Zu Daniel Johnston. Zu Eric Rohmer. Zu Musikern, die sich als Schauspieler versuchten

Von Ekkehard Knörer

Gestern Abend das Okkervil-River-Konzert im Postbahnhof: fantastisch. Ich würde hier nicht darüber schreiben; also auch nicht über das umwerfende Charisma des Frontmanns Will Robinson Sheff, der mit Brille, Anzug, Krawatte beginnt, mit seiner extrem gut eingespielten Band dann vier Songs am Stück lang die Barn stompt, bevor das erste gesprochene Wort fällt; der dann die Brille, die Krawatte, die Jacke ab-, das Tempo rausnimmt, dann wieder los-, die Kleidung und die Brille aber nicht wieder anlegt; dessen hinreißender beinahe rein akustischer Fast-Solo-Auftritt zur Mitte des Konzerts dessen absoluter Höhepunkt wäre, wären da nicht andere Höhepunkte genug; über all das würde ich nicht schreiben, denn wir sind hier ja nicht in einem Blog. Jedenfalls nicht in so einem Blog.

Aber. Eine Recherche zu Will Robinson Sheff, dem Sänger und Songwriter von Okkervil River, ergab – und ich wusste es wirklich nicht –, dass er im Neben-, Haupt-, Brot- oder Spaßberuf, was weiß ich, auch Kritiken schreibt oder geschrieben hat. Musikkritiken, versteht sich. Aber für den Austin Chronicle auch eine ganze Reihe von Kritiken zu Filmen, zu Retrospektiven, zu Festivals. Die Texte sind informiert, er interessiert sich für alles Mögliche von Kinji Fukasaku bis Stan Brakhage, von Wladislaw Starewicz bis Eric Rohmer; die Musiktexte sind besser als die eher etwas konventionellen zum Film. Sehr schön jener hier, der über MusikerInnen geht, die sich als SchauspielerInnen versuchten. Alle seine Texte sind auf dieser Seite verlinkt. Hier ein paar Zitate aus den Artikeln. Als Hommage:

«In Eric Rohmers Filmen gibt es keine Kameratricks, keine Pistolen, keine Musik. Tatsächlich passiert in Rohmers Filmen nicht viel. Aber dieses nicht viel passiert mit einer so fantastischen, sinnlichen Mattigkeit; der moralische und intellektuelle Riss zwischen seinen Figuren und ihrer unmittelbaren Mitwelt weitet sich dabei langsam und still in einen schwindelnden Abgrund.» (Hier)

Aus einer Kritik zu Lou Reeds Berlin-Platte (nicht zum ganz sicher, ich will ihn nicht sehen, verschmockten Film, den Julian Schnabel zur Konzert-Wiedereinspielung des inzwischen sowieso total verschmockten Lou Reed kürzlich gedreht hat):

«Das, was wir ein trauriges Lied, einen sad song nennen, kann einen, wie jeder Fan von traurigen Liedern weiß, in Wahrheit glücklich machen. Das liegt daran, dass die meisten der Lieder, die wir traurig nennen, gar nicht so sehr traurig sind, sondern meditativ; ihr Ziel ist es nicht so sehr, den Hörer zu deprimieren, sondern vielmehr, ihn zu einer ruhigen Abfolge von miteinander verbundenen Gedanken anzuregen, hin zu einer letztlichen Einsicht, die, ist man zu ihr gelangt, den Blick auf die Welt um uns verändert haben wird.»

In der Folge erklärt Will Sheff dann aber – sehr zurecht –, dass Lou Reed auf Berlin eben doch die allertraurigsten und deprimierendsten sad songs der Welt singt. 

Und dann noch dies, weil es hier um Daniel Johnston, einen meiner Lieblings-Songwriter geht, der in einer meiner Lieblings-Städte leidet und lebt oder jedenfalls litt und lebte und der mir Anfang diese Jahrtausends eines der schönsten aller Konzerterlebnisse bescherte, in der Volksbühne damals (nicht, dass das hier so ein Blog wäre):

«Daniel Johnston war einer der Gründe für meinen Umzug nach Austin, Texas. Ich war das erste Mal in der Universitätsstadt gewesen, hatte einen Freund besucht, der mir ein Exemplar von 'Songs of Pain' geschickt hatte (eine der vielen von Johnston handkopierten Kassetten, die man für ein paar Dollar in den Musikläden der ganzen Stadt finden konnte; verpackt in eine Weichplastik-Hülle mit per Hand draufgeklebtem Label und einer Kopie einer kleinen Johnston-Zeichnung auf dem Cover). Zurück in St. Paul, Minneapolis, steckte ich die Kassette in meine Anlage und hörte mal rein. Es war erstaunlich, voller Songs, die sich in meinen Kopf schlichen unter dem Anschein, es handle sich um eines dieser Do-it-yourself-Punk-Alben. Dahinter verbargen sich aber, als rohe Skizzen, die Muster für die großartigsten nie geschriebenen Pop-Singles der Welt.»

Der ganze Text steht dann hier.