comic

Britten & Brülightly Hannah Berry

Von Stefanie Diekmann

© Jonathan Cape / Random House

 

Sie kommen in Paaren, meistens jedenfalls. M. Hercule Poirot und Captain Hastings, Miss Jane Marple und Mr. Stringer, Mr. Sherlock Holmes und Dr. John Watson, und noch in den meisten epigonalen Ausfertigungen späterer Jahrzehnte wird die Konvention respektiert, dass der Protagonist der britischen Detektivgeschichte am besten mit einem Investigationspartner vorzustellen ist. Eine Stimme für die falschen Fragen, die vorschnellen Schlüsse, eine für die richtigen Antworten und für das gekonnte Resümee; zwei Instanzen, aber nur eine davon klar figuriert, während sich die andere kaum von der Funktion löst, Stichwortgeber zu sein. «‹Excellent!› I cried [Watson]. ‹Elementary›, said he [Holmes].» Man kennt das.

Von dieser Tradition der zwei Instanzen und des dialogischen Managements einer Investigation ist manches in Britten & Brülightly enthalten: Brülightly für die schlichten Ideen, Britten für die kritische Prüfung, Brülightly außerdem für die etwas unfeinen Regungen, Britten für die melancholische Zurückhaltung, der zweite selten ohne den ersten, aber nur einer im Blick das Gegenüber, während der andere sich unsichtbar macht und vor allem zwischen den Einsätzen und Konfrontationen als Stimme in Erscheinung tritt. Sie sind ein gutes Team, Britten & Brülightly: keine Geheimnisse, viel Routine, eine respektable Aufklärungsquote und keine Konflikte, außer wenn Brülightly wieder einen seiner sexistischen Sprüche klopft. Ein ungleiches Team sind sie außerdem. (Man wäre versucht zu sagen, dass auch dies zur Konvention gehört, aber sehen Sie selbst …) Fernandez Britten ist ein Mann mit violetten Augenringen und einem Menjou-Bärtchen, der ständig für einen Franzosen gehalten wird und einmal erklärt, er komme aus Ecuador. Und Stewart Brülightly ist ein Teebeutel, der in Brittens Westentasche oder auf seinem Schreibtisch sitzt und dort über den aktuellen Fall räsonniert.

Wollte man einer sehr unverständigen Person etwas über die Wunder und Eigenheiten der Welt des Comics erzählen, so könnte man es an diesem Beispiel versuchen: an diesem sehr schönen Buch, das die Idee, einen sprechenden Teebeutel als die Wahnvorstellung eines melancholischen Detektivs zu betrachten, so unzweifelhaft als die uninteressantere Deutungsmöglichkeit erscheinen lässt und stattdessen eine Kooperation existent setzt, in der einer der Partner an die Gestalten von Edward Gorey erinnert (Anmut, Ennui, Katastrophe etc.) und der andere an ein zerdrücktes Comic-Panel. Stewart Brülightly, Private Investigator. Bei seinem ersten Auftritt könnte man ihn für ein Foto halten und dazu alle möglichen Ideen mobilisieren: das Bild als Stellvertreter, facies, effigie, Geisterkommunikation etc. ... – aber nein, die blassen Sepiatöne und der rechteckige Umriss passen auch zu einem anderen Erscheinungsbild, und so ist er eben ein Teebeutel, ein sehr britischer übrigens. (Wo sonst fände sich die rechteckige Form, die die Verwechslung mit dem Foto motiviert und auch die mit dem Comic-Panel?)

Britten, Brülightly. Und der Regen. Im Grunde besteht die Geschichte aus diesen dreien, während alle weiteren Akteure in die zweite Reihe verwiesen sind und ebenso gut andere Figuren aus einem anderen Plot sein könnten. Aus der Perspektive des Privatdetektivs Fernandez Britten sind seine Fälle ohnehin längst austauschbar: Fast alle beginnen im Zorn, und alle enden im Elend; das Familiengeheimnis der Sippe Maughton wird da keinen Unterschied machen, und wenn Britten nach diesem Fall genug hat, dann nicht, weil er besonders unter ihm gelitten hätte, sondern höchstens, weil er dabei noch einmal in die Vergangenheit geführt wird, zurück in einen anderen Plot der fatalen Nachfragen und der zerstörerischen Auskünfte. («I had made something of a name for myself in the field. That name was ‹The Heartbreaker›.»)

Der Regen, der in Britten & Brülightly unablässig fällt, sich vor die Panels schiebt und in die Seiten einsickert, ist unter diesen Bedingungen etwas wie ein Stimmungsbild; vor allem aber ist er ein Akteur eigenen Rechts, von Hannah Berry so prominent ins Szene gesetzt, dass es richtiger scheint, die Detektivgeschichte und ihre Bilder als Hintergrund für den Regen zu bezeichnen und nicht umgekehrt: den Regen als Hintergrund für die Geschichte. Es regnet von Anfang an und bereits am Anfang so, als hätte es nie etwas anderes als Regen gegeben. Bis zum Ende wird sich an diesem Zustand nichts ändern, und noch dort, wo sich die Figuren in geschlossenen Räumen befinden, erscheinen die Farben wie ausgewaschen, die Hintergründe verschwommen, alles halb aufgelöst unter Einwirkung einer Feuchtigkeit, die sich vor langer Zeit zwischen den Seiten eingenistet hat.

In den Rezensionen zu Britten & Brülightly (die fast durchweg enthusiastisch sind) ist viel von diesen Effekten die Rede: Farbverläufe mit dem Aussehen von Wasser- oder Stockflecken; Verwischungen, die ebenso an den Objekten haften könnten wie an den Panels, in denen sich die Objekte abgebildet finden; Tuscheschlieren und schwimmendes Aquarell, das meiste in einer stumpfen Palette aus Braun, Grau, Blau und Violett, in der gelegentlich eine Spur von Rot oder von Grün auftaucht. Wie gesagt: Was sich auf den Seiten dieses Comics an Farbe findet, hat die Qualität des Restbestands: das, was noch übrig ist, was noch nicht aufgeweicht wurde, was bald nicht mehr zu erkennen sein wird …; und sicher entspricht dies allen Konventionen der Melancholiedarstellung, aber hier lässt man es sich gerne gefallen.

Der Regen fällt. Dazwischen, dahinter, abenteuern die Perspektiven. Es gibt zahlreiche Aufsichten, Untersichten, Blickwechsel auf Berrys Seiten, Close-Ups und Bewegungseffekte nach dem Modell des Travelling oder der Verfolgungsjagd. All das ist film-affin, doch lässt sich viel mehr als die Film-Affinität auch nicht feststellen, hier wie in anderen Comics, die einen Bezug zum Genre des Noir ausstellen, zu dem in Britten & Brülightly immerhin ein deutlich ironischeres Verhältnis besteht als in den Comics um Blacksad und erst recht in Sin City. Tatsächlich ist es ein Distanzverhältnis: Einmal fängt Fernandez Britten an, in einem Pulproman zu lesen, den ihm die Investigation in die Hände gespielt hat, und wie er beim Sitzen und Lesen gezeigt wird, macht schon ziemlich deutlich, dass dies nicht seine Welt ist, ebenso wenig übrigens wie die des klassischen Krimis mit seinen Pfarrhäusern, Kaminfeuern und Geheimgesellschaften.

Bleibt die Kooperation. Ein Mann und sein Teebeutel; Westentaschen, Bügelfalten und niemals eine Waffe; ein Regenmantel, der nicht vor der Nässe schützt, und helle Hüte, die nach und nach verloren gehen. Kurz vor Schluss sind die Buchseiten einheitlich grau, dann ganz dunkel, dann für eine kurze Weile von ungekannter Helligkeit, aber draußen fällt noch immer der Regen, ein Fall wartet auf seine Lösung, bis sie die Geschichte zu Ende bringen, was dann gar nicht mehr viel Zeit in Anspruch nimmt. «I never was one for goodbyes, Fern» hat der Teebeutel zum Abschied gesagt.

 

Hannah Berry: Britten & Brülightly (Jonathan Cape 2008)