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Reels

Von Stephan Herczeg

 

Mein Hang zum Trash wurde mir dann doch noch zum Verhängnis, als ich es nicht mehr schaffte, Reels zu ignorieren. Diese großen Zeitfresser, durch die ich mich plötzlich bis zur Nackenstarre durchwischte. Reels, so nennt Instagram sein Feature mit TikTok-ähnlichen Kurzvideos, die eigentlich auch alle TikToks sind und von mehrgleisig fahrenden TikTokern und TikTokerinnen zum eigenen Kollateralnutzen auch ins Opa-Medium Instagram eingespeist werden. Also voll peinlich im Grunde, sich TikToks auf Insta anzusehen. Ungefähr so, wie Tweets auf Facebook zu lesen. Also ganz schlimm. Der Instagram-Algorithmus hatte meine billigen Vorlieben natürlich im Nu herausgefunden: auf My Humps von The Black Eyed Peas tanzende Katzen, aber auch löslichen Kaffee zubereitende Katzen. Auf Love Nwantiti von Ckay tanzende Jungs, vor allem der Ganzkörpertätowierte mit dem Beanie-Werbevertrag, dessen Mitbewohnerin immer hinten in der Küche kurz mittanzt. Couple Pranks im Allgemeinen. Der doofe Gucci Prank zum Beispiel, bei dem die Reaktion des Ehemanns beim Abhören einer vermeintlichen Sprachbox-Nachricht gefilmt wird, in der es darum geht, dass die georderte Gucci-Tasche morgen abgeholt werden könne und die Kreditkarte erfolgreich mit elftausend Dollar belastet worden sei. Haha, sehr lustig. Mein Algorithmus erkennt natürlich nicht, welche Pranks ich scheiße finde, obwohl ich sie mir ganz anschaue, und bringt die Meme-Varianten dann immer wieder. Mittellustig hingegen der italienische Ehemann, dem von seiner amerikanischen Ehefrau Parmesan auf Frutti-di-Mare-Spaghetti gestreut wird und der nachmittags für seine Frau Cappuccino mit Mandelmilch bestellen muss. Sieht mehrfach geprobt und gespielt aus, aber egal. Weiterhin auf meiner Topliste Chachachas von Salvo Sinardi oder Sambas von Klemen Prasnikar, aber das Thema hatten wir ja schon. Auch ganz schlimm die Open your eyes when he says moon-Challenge, ich nenne sie die Nazi-Challenge, bei der Menschen, die sich was auf ihre blauen, grünen oder türkisfarbigen Augen einbilden, an der Moon-Stelle eines kitschigen Songs ihre zunächst geschlossenen blauen, grünen oder türkisfarbenen Augen öffnen und sich dabei erhaben fühlen. Als Mensch mit gewöhnlichen braunen Augen fühle ich mich stark diskriminiert und lehne als von der Challenge Ausgeschlossener diese voller Neid ab. Dann krieg ich immer die Reels dieses jungen französischen Hobby-Comedians aus der Provinz eingespielt, der bitchy Berufsberaterinnen, Boutiqueverkäuferinnen oder Schulbusfahrerinnen spielt. Da ich aber mal wieder keine Ahnung habe, stellte sich dann irgendwann heraus, dass das vermeintliche Nachwuchstalent bereits ein Big Player mit einer Million Followern auf TikTok ist. Auch bei Reels mal wieder das typische Social-Media-Phänomen, viel mehr zu hassen als man gut findet. Zum Beispiel den Jugendlichen, der immer zusammen mit seiner kurzhaarigen Mutter tanzt. Am meisten ärgert mich, dass die Mutter immer hinten tanzen muss und der Angebersohn vorne. Beide beherrschen sogar den wirklich sehr schwierigen Love Nwantiti-Dance, den ich trotz mehrfacher Tutorial-Sichtungen auf Youtube immer noch nicht überzeugend performen kann. Aber bald! Reel ist in der Mache!