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In der Welt sein

Fast genau zum 100. Geburtstag von Akira Kurosawa erscheint das fünfte Heft von cargo. Es gibt nur wenige Regisseure, die in einem ähnlichen Maße kanonisiert sind wie der japanische Meister, der sich so intensiv mit westlichen Formen und westlicher Kultur beschäftigt hat. Der längste Text in diesem Heft ist Akira Kurosawa gewidmet: Stefan Ripplinger nähert sich dessen Werk von einem eher unbekannten Film her, der umstrittenen und selten fair gewürdigten Adaption von Dostojewskis Roman Der Idiot. Dabei geht es uns nicht einfach um eine filmhistorische Abhandlung, sondern in einem mehrfachen Sinn um eine Vergegenwärtigung: Der Idiot ist nunmehr auf DVD zugänglich, zu entdecken ist ein Versuch, christliche Allegorie auf eine existenzialistische Ebene zu bringen. Kurosawa war ein Pionier nicht zuletzt in der Hinsicht, wie er Gegensätze zu vermitteln suchte: die Konventionen des japanischen Studiosystems und die «großen Erzählungen» aus unterschiedlichen Literaturen. Er war schon Weltkino, als die Welt noch in Blöcken dachte und auf Filmfestivals noch entsprechende Ordnung herrschte.

Dass uns Weltkino in allen Facetten interessiert, haben wir schon bisher zu verdeutlichen versucht. Wir verstehen cargo nicht zuletzt als ein Medium, das sich immer neu einen Begriff von Weltkino machen will: Wird Oliver Stones Wall Street: Money Never Sleeps eher in der amerikanischen Mythologie verhaftet bleiben oder eine Globalmetapher bringen? (Wir spekulieren darüber in einem größeren Dossier.) Unterscheidet sich Brillante Mendoza, mit dem wir das große cargo-Gespräch geführt haben, vom geläufigen Ghetto-Glamour à la City of God? Gehört der Experimentalfilm, über den Michael Sicinski uns auf den neuesten Stand bringt, zur Welt des Kinos oder der Kunst, oder ist das einfach eine eigene Welt, die anderen Gesetzen des Geldes und der Ästhetik gehorcht? Neben diesen Themen präsentieren wir ab dieser Ausgabe eine neue Kolumne des Schriftstellers und Dramatikers Martin Heckmanns: «Text und Leben». Das alles in einem Heft, auf dessen Titelbild ein Mann in einer künstlichen Welt schläft: der Kulisse von Wes Andersons The Fantastic Mr. Fox.