literatur

Drive von James Sallis

Von Michael Baute

Irgendwo in einem Tarantino sagt Bruce Willis mal, sein Name tue nichts zur Sache; amerikanische Namen seien bedeutungslos. Irgendwann, glaube ich jedenfalls, wird in Sallis’ bisher bestem Buch zwar mal der richtige Name der Hauptfigur genannt, doch der Name spielt auch dort keine große Rolle.

«What do you want from me, boy?»

«My name’s—»

«Hard as it may be for you to believe this, I don’t give a flying fuck what your name is.»

«I’m from—»

«And I care even less about that.»

«Tough audience.»

«Audiences are. That’s their nature.»

Eine Rolle spielt, was jemand kann und was das aus ihm macht. Für sich und für die anderen. Drive handelt von Driver, der bei Adoptiveltern aufwächst, in Hollywood Stunt-Fahrer wird und ab und an das Fluchtauto bei Überfällen fährt. Einer der Überfälle geht schief, Leute halten sich nicht an Verabredungen, es gibt Tote und Dinge müssen in Ordnung gebracht werden. 34 kurze, fast skizzenhafte Kapitel auf 158 Seiten, knappe Dialoge, prägnante Charakterisierungen, unaufwändige Klarheit «filmischer» Szenen.

Wie bei Howard Hawks geht es um Professionalität als Ideologie und was die aus dem Verhalten von Menschen macht und welche Situationen daraus entstehen. Die unausgesprochene Moral von unbeirrbar Professionellen. Einer setzt alles daran, seine Sache gut zu machen, ohne Rücksicht auf Herkunft, Rasse oder Geschlecht. Die Dinge so in Ordnung zu bringen, damit ist auch die Wette gemeint, dass aus dem Gutmachen das Richtige werden könnte. Es ist diese spezielle ethische Komponente in der Tradition amerikanischen Kriminalliteratur, an die Sallis mit Drive schließlich anschließt. Häufig hatte Sallis zuvor Essays über diese Tradition geschrieben. Immer versuchte auch seine fiction darauf zurück zu greifen. Oft verzettelte sie sich dabei aber in literarischen Avancen und Subjektskepsis. So richtig funktioniert das erst hier. Drive hat eine starke Erdung, ist kompakt, lässig, character driven. In großartigen Miniaturen werden Davors und Danachs elliptisch in die Bewegung der Hauptfigur eingespielt. Bis zum Ende wird der Ablauf der Basiserzählung immer wieder verlagert.

Vermutlich ist es der in allen Fasern des Buchs wirksame Materialismus des Erzählens, der Sallis’ Driver von Ryan O’Neals in Walter Hills Driver (USA 1978) unterscheidet. Selbst in seinen besten Momenten (in Driver zum Beispiel) hält sich Hills neoklassisches Kino, aufgrund seines impliziten Platonismus, immer schon in der Nähe von Themenpark und Reaktion auf. Sallis’ Drive gelingt es, diesen Abgründen entgehen. Es hätte zwar auch in den 70ern geschrieben werden können. Aber nicht so, mit deren Lehren im Rücken.

James Sallis: Driver (Liebeskind Verlag 2007)

Drive (Neil Marshall) befindet sich in Pre-Production