magical history tour

15. April 2010

1898: Georges Méliès: Un homme d têtes

Von Ekkehard Knörer

Méliès, natürlich, Méliès. Zauberer, Trickfilmmeister. Er kommt aus dem Variété-Theater und begreift schnell, dass er da auch wieder hin will. Also baut er sich im Garten ein Filmstudio, das zweite wohl überhaupt. Die Lumières gehen hinaus in die Welt, Méliès holt sie sich auf sein Grundstück. Das «Black Maria» getaufte Studio Edisons war schwarz, mit Drehbühne, Fenstern und aufklappbarem Dach zur Regulierung des Lichteinfalls. Bei Méliès ist alles aus Glas. Der Illusionsfilm lebt davon, dass alles Apparitische im Dunkeln verbleibt. Méliès nutzt das Potenzial des neuen Apparats für nichtrealistische Operationen. Die Hand des Illusionisten ist schneller als das Auge des Betrachters. Der Filmapparat ist für Méliès zunächst einmal die Steigerungsform der Zaubererhand.

Und als solches erlaubt der Apparat Sachen, die man auf der Zauberbühne mit noch so viel Geschick doch nicht machen kann. Das Abnehmen des Kopfes zum Beispiel. Das Absetzen des Kopfs auf einem Tisch. Die Verdopplung und Vervielfachung desselben Kopfs, der auf den Schultern von Méliès dann erst einmal nicht mehr sitzt. Man achte auch auf die typische Magier-Ablenkungs-Fuchtelei, die Méliès mit den Händen veranstaltet, auf die üblichen Bühnen-«Beweis»-Bewegungen wie den Nachweis des Freiraums unter dem Tisch. (Kurze Abschweifung noch, dann der Clip mit Un homme de têtes: Viele der Filme von Tod Browning sind großartige Reflexionen auf den Film-Varieté-Trick-Zuschauertäuschungs-Zusammenhang, für den die Filme von Méliès exemplarisch stehen. In The Show, dem einschlägigsten davon, ist als Zauberkunststück eine Szene zu sehen, in der die Köpfung Johannes' des Täufers dargestellt wird. Browning macht daraus ein Virtuosenstück über Reiz und Gefahr der Verwechslung von Wirklichkeit und Illusion. Toller Film.)

Méliès hat stets an der Variation und Erweiterung seiner Tricks gearbeitet. Von Un homme de têtes führt etwa gleich eine doppelte Spur zu Le méloman (1903), einer sehr schönen Übung in Surrealismus: die Sache mit den Köpfen und das Musikinstrument.

Oder, andere Variation: Vervielfachung plus Musikinstrumente, dafür bleiben die Köpfe dran: L'homme orchestre (1900).

Wem das wiederum vertraut vorkommt, der darf als Bonus-Track noch den Anfang von Buster Keatons Klassiker The Playhouse (1921) ansehen.