magical history tour

19. Juni 2010

1916: Benjamin Christensen: Hævnens nat

Von Ekkehard Knörer

Ein Hausfilm, denkt man. Hat jemand je über Hausfilme geschrieben? Über Schauplatzbeschränkung, Invasionsängste, den meist unsichtbaren Grusel des meist eigenen Heims, von alltäglichsten bis zu paranormalen Aktivitäten? Ein Hausfilm, denkt man, denn in einem denkwürdigen Prolog sieht man den Schöpfer des Films, den Dänen Benjamin Christensen, der in der mir vorliegenden englischen Fassung allerdings Benjamin Christie heißt, und zwar sieht man ihn dabei, wie er in fürs Weitere durchaus nicht untypischem Chiaroscuro ein Hausmodell vorführt und dem vorgeführten Hausmodell das Dach lupft.  Invasion eines allwissenden Erzählers, der im folgenden souverän die Strippen zieht. Auch nicht untypisch ist, dass dann das Licht angeht. Häuser, in denen elektrische Beleuchtung an- und ausgeht, wobei der Lichtschalter allerdings gegen die Invasionen gar nichts vermag. (An/Aus, Innen/Außen: Hausfilmoppositionen.)

Aber auch die Rede vom Ziehen von Strippen ist nicht unschuldig im Zusammenhang dieses Films. Zwei Sorten Strippen rückt er wieder und wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Seile zum Fesseln und – im Zweifelsfall – Aufhängen; und jene deutlich neumodischeren Strippen, die Telefonkabel sind und als solche zwischenmenschliche Verbindungen herstellen. Vereinfacht gesagt: Wo der Strick droht, da naht das Rettende in Telefonkabelform. Dazu gleich mehr, auch im Bild, aber erst einmal vorsichtiges Einsammeln der Kolportageelemente, Versammlung des Romanhaften im Haus. 

Da ist, als Hauptfigur, ein etwas tumber starker Mann aus dem Zirkus. Man steckt ihn unschuldig in den Knast, wegen Mordes. Schuldig ist der Elefantenmann und am Ende holt ihn, in Form nicht zuletzt der Doppelbelichtung-Geistererscheinung, seine Schuld wieder ein. Der Film beginnt damit, dass der starke Mann aus dem Gefängnis entkommt. Er holt sich sein ihm weggenommenes Baby zurück (ein Junge, reines Requisit, keine Vorgeschichte), gerät durch den Schnee über ein baumreiches Grundstück ins Haus. (In eines der beiden Häuser: sie verdoppeln sich nämlich, später. Ein Doppelhausfilm.) Dies ist die Ausgangsinvasion. Eine Familie ist glücklich mit Freunden im Haus, man begibt sich zu Bett. Nacht, dunkel, starker Mann auf der Suche nach Nahrung fürs Kind. Dunkel und im Dunkel das einsame Licht einer Taschenlampe. Es geistert. 

Hinter der Tür Ann. Licht der Lampe durch Schlitz im Zimmer. Schlüssellochblick. Sie aber hat weise die Tür mit mehrfach geschlungenem Seil abgesperrt. Was nicht hilft, denn von außen dringt durchs Fenster der Fremde trotzdem herein. Dazu fährt die Kamera zurück aus dem Raum, zieht den Rahmen so weit auf, dass das Fenster ins Bild kommt und der Fremde vor dem Fenster, durch das er dann, von der Kamera schön gerahmt, eindringt. Er will nichts Böses. Die Frau geht in die Küche, wird mit der Flasche fürs Baby von den Männern überrascht. Die zücken Gewehre und nötigen die Frau, den Fremden zu verraten. Er kommt zur Tür raus und mit Seilen fängt man ihn ein. Er spricht, bevor man ihn wegschafft, ein Drohung aus: Er will Ann, die Verräterin, sobald er wieder in Freiheit ist, mit dem Seil aufknüpfen.