depressionsfilme

2. Oktober 2009

Strictly Banking Folge 8: Skyscraper Souls (Edgar Selwyn) USA 1932

Von Robin Celikates

«I'm not in the stock business, I’m a banker»

© MGM

 

Das Menschengewimmel vor dem Eingangsbereich, mit dem Edgar Selwyn die opening credits zu seinem ingeniös betitelten Film Skyscraper Souls unterlegt, lässt bereits erahnen, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Bürogebäude handelt. Und tatsächlich zeigt die erste Einstellung, dass das Dwight Building, dessen Inneres die Kamera so gut wie nie verlässt, selbst das Empire State Building wortwörtlich in den Schatten stellt. Benannt ist es nach seinem selbstbewussten Erbauer, David Dwight (Warren William), der mit ihm offensichtlich ein nicht zu übersehendes Zeichen setzen wollte: «the spirit of the age crystallized in steel and stone», »halfway to hell and right up to heaven».

Dwight, in der Charakterisierung des Kritikers der New York Times «an ambitious but conscienceless banker», manipuliert nicht nur Sekretärinnen (Selbstauskunft: «I never drank champagne in my life») mit Schaumwein, Theaterkarten und Segeltörns sowie seine Ehefrau mit großzügigen Schecks, mit denen sie sich in Frankreich neben Kleidern auch Villen kauft, sondern auch die Aktienkurse der sich in seinem Besitz befindlichen Seacoast Bank. Zu diesem Mittel muss er greifen, um eine kurzfristige Finanzierungslücke zu schließen. Die Baukosten des Dwight Building belaufen sich nämlich auf stattliche 30 Millionen Dollar, die sich der Bauherr kurzerhand (und natürlich unrechtmäßig) aus den Einlagen seiner eigenen Bank besorgt hat, die nun unter Druck gerät und das Geld dringend benötigt.

Dwight, der gerne an «loyalty and affection» appelliert, wenn es um die Sicherung seiner eigenen Interessen geht, ansonsten aber auf der Maxime «business is business» beharrt, steht nicht umsonst im Ruf, immer einen Ausweg zu wissen: «he can pull rabbits out of his hat». Der aus dem Hut zu ziehende Hase bzw. die auszunehmende Gans ist in diesem Fall der steinreiche Mr. Norton (der Frauen auch mal mit Fragen wie «Are you a good chicken?» zu Leibe rückt). Dieser wird von Dwight im hauseigenen türkischen Bad, dem steam room, so präpariert, dass er sein Vermögen mit Freude einbringt. Was er freilich nicht ahnt: In einer Parallelaktion beschließt Dwight mit einem mächtigen Konkurrenten gemeinsame Sache zu machen und die Aktienkurse in einer geheimen Absprache so zu manipulieren, dass Norton alles verliert und sie alles gewinnen. Der Plan: «send it up to 350 and then crack it»; das fernmündlich durchgegebene Kommando: «give it a ride».

Bei diesem ride bleibt freilich nicht nur Norton auf der Strecke. Ein durch einen vermeintlichen Insider-Tip aufs falsche Gleis gesetzter Kleinanleger löst eine Kaskade von, ex post betrachtet, Fehlinvestitionen aus, die einer Horde von zunächst enthusiasmierten, dann verzweifelten Angestellten angesichts des nicht weiter anfechtbaren Urteils «You’re wiped out» nur die Erkenntnis «I ain’t got no more margin» lässt. Exemplarisch wird angedeutet, dass die kleinkriminelle Karriere hier nur einen scheinbaren Ausweg bietet und auch im Tod durch Ersticken im aufgerüsteten Safe des hauseigenen Juweliers enden kann. Der Großkriminelle Dwight aber geht (vorerst) straffrei aus und kann sein Hochhaus nun endlich wirklich sein eigen nennen. Seine Selbstauskunft «I’m not in the stock business, I’m a banker» hat angesichts des wechselseitigen Stützungsverhältnisses von Hochhaus, Bank und Börse allerdings an Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Selwyns Meisterschaft zeigt sich nun darin, dass er es nicht bei diesem an sich schon faszinierenden Plot belässt, sondern in die filmische Erzählung zwei weitere Ebenen einzieht. Zum einen wird schnell deutlich, dass das Dwight Building selbst eine Art Protagonist des Films ist. Mit der großen Eingangshalle, den zahlreichen Geschäften, etwa Vinmont & Cie – Robes et manteaux, Dwights Privatappartement und den vielen Aufzügen beherbergt es eine Welt im Kleinen, deren (im übrigen ausnahmslos weiße) Bewohner trotz der unvermeidlichen Anonymität des modernen Angestelltendaseins gewissermaßen architektonisch vergemeinschaftet werden. In genialen Miniaturen skizziert Selwyn dabei ganz nebenher eine kleine Soziologie des überfüllten Fahrstuhls, in dem Frauen von ihren Verehrern gecornered werden und Stalker unter Anteilnahme aller Anwesenden eine Abfuhr erteilt bekommen. In solchen Szenen gelingt dem Film über die Komik hinaus aber weit mehr, nämlich die Besichtigung einer Lebensform.

Zum anderen überlagert Selwyn die ökonomischen und architektonischen mit amourösen Beziehungsgeflechten, die sich am Ende als die in letzter Instanz bestimmenden erweisen. Neben Dwights Ehefrau, mit der ihn nach eigener Auskunft eine glückliche Ehe verbindet, seit beide auf unterschiedlichen Kontinenten leben und sich nur zur Übergabe von Schecks treffen, steht seine langjährige Sekretärin und Geliebte Sarah Dennet (Verree Teasdale), die sich nicht länger hinhalten lassen will, aber zu spät erkennt, dass für Dwight die Ehe eine ganz bestimmte Funktion erfüllt: «marriage as a protection against other women». Da sein Interesse – nur schwach legitimiert durch Aussagen wie «a man needs youth» – inzwischen der deutlich jüngeren Sekretärin und Protegée seiner Geliebten gilt, möchte er letztere gern in Rente auf das Land schicken und mit ersterer die Karibik durchsegeln. Die Umworbene, Lynn Harding (Maureen O’Sullivan), erliegt nach kurzem Hin und Her seinem Charme und Reichtum und stößt damit nicht nur Ersatzmutter Sarah, sondern auch ihren Verehrer Tom Shepherd vor den Kopf, der nach dem Finanzdesaster nur mehr über seinen kärglichen Lohn als Bankangestellter verfügt.

Diese überdeterminierte Situation wird mit einem dramatischen murder-suicide aufgelöst, in dem Sarah zuerst Dwight per Schuss in den Oberkörper und dann sich selbst durch einen spektakulären Sprung von der obersten Etage des nach ihm benannten Hochhauses tötet, das von Mrs. Dwight unmittelbar nach dem Tod ihres Gatten wieder zu Geld gemacht wird. Diese sarkastische Schlusspointe wird dem Regisseur nicht einmal der Verstorbene übelnehmen können, der noch im Sterben mit gereckter Faust «It’s a beautiful building» ausruft. Selwyn belässt es aber nicht beim Sarkasmus, sondern führt Lynn und Tom zu einer Ehe in bescheidenen Verhältnissen zusammen, die wohl zeigen soll, dass es ein Leben nach dem Crash und jenseits des Kasinokapitalismus gibt. Der Zuschauer ahnt freilich, dass die skyscraper souls der Vergangenheit wie der Gegenwart auf diese Weise keine Ruhe finden werden.

Skyscraper Souls (Edgar Selwyn) USA 1932, mit Warren William, Maureen O'Sullivan. MGM, 99 Minuten