essayfilm

15. Dezember 2009

No. No. Stonebridge Park

Von Ekkehard Knörer

Ist das ein Essayfilm? Narrativ? Dokumentarisch? Oder einfach schizophren? Was wir sehen: Zwei Plansequenzen, Unwirtlichkeit einer Stadtlandschaft, Treppen, Aufgänge, Übergänge. Eins: Ein Blick in Bewegung, die nicht schönen Häuser, die Autos, die Straße, ein Nicht-Ort. Der Aufenthalt ist nicht von Dauer, der Blick geht in die Weite, hält sich nirgendwo fest und scheint doch Anflüge von Souveränität zu behaupten im Rundumgang. (Er kommt aus dem Wasser, er endet auf dem Asphalt). Zweiter Teil, zweite Plansequenz: engerer Gang, gesenkterer Blick, Wände, der Zaun, Grenzen scheinen gesetzt und doch geht es weiter.

Wie passt, das ist die Tausend-Dollar-Frage, die Off-Stimme zum Bild? Unterscheiden wir zwischen Teil eins und Teil zwei. In Teil eins berührt das eine das andere zum Schein kaum. Ein Mann beginnt mit philosophischen Überlegungen zur eigenen – nicht in erster Linie sexuellen – Promiskuität. Er sagt also, aus recht weiter Entfernung zunächst auf sich blickend: Ich. Ums Sich-Binden geht es dann, Fotos von Tätern, die einer (ein anderer) abreißt und Katzen (echter Verlust). Hier, in den Bildern verlorener Katzen, ein Sich-Binden, das ungefähr das Gegenteil wäre jenes Verhältnisses, das man zu Nicht-Orten hat wie denen, durch die die Kamera – wofür und für wen immer sie steht – sich bewegt.

Schockartiger Auftritt eines Datums. Am 11. Dezember. Das Ich und seine Paranoia der Unbesiegbarkeit. Was dieses Ich so alles über sich weiß. Aber warum berichtet es so überaus nüchtern, in beinahe klinischer Sprache von sich und seinen Pathologien? Mit dem Datum schnurrt es zusammen. Eine Erzählung beginnt zu entstehen. Von Bekenntnis und Analyse und Aphorismus zur Tat, die erzählt wird. Drei Monate Gefängnis (vorüber), drohender Jobverlust (Euphorie), Schulden (Vision hoffnungsloser Leere). Es war halbvier Uhr. Das Wollen dessen, was man gar nicht will. Das Gebundensein in die im Ich vergesellschafteten Wünsche. Einmal Nein. Zweimal Nein. «No.» «No.» Un moment decisif: Das Bild und die Off-Erzählung nehmen expliziten Kontakt auf. Ich öffnete eine weitere Dose und blickte auf die North Circular. (Ich gehe jetzt, von der Suggestion der Verbindung angestiftet, davon aus: Was wir sehen, ist die North Circular.)

Ende Teil eins. Wieder Musik. Eine Kriminalgeschichte nimmt ihren Ausgang und das Verhältnis zwischen Bild und Ton wird nun, im zweiten Teil (über den ich ansonsten schweige) intrikater. Momente klarer Deixis, die zugleich fehlgehen. Man sieht den Zaun, aber nicht den Hund. Referenz, ja, aber wegglitschend. Ein ähnliches Verhältnis zwischen dem Gesehenen und dem Gehörten kenne ich nur von Gerhard Friedl. Ich kann nur davor warnen, diesen Film zu unterschätzen. Er heißt Stonebridge Park, dauert knapp zwanzig Minuten, ist von Patrick Keiller, dessen Robinson in Space sehr berühmt ist, und entstand 1981.