dokumentarfilm

11. Juni 2023

Erdbeschaffenheiten Über Rasmus Dinesens Weindokumentarfilm Terroir to Table

Von Felix Hüttemann

© Mindjazz Pictures

 

Wein sei das einzige Getränk, das wirklich zu jedem Essen passe, konstatiert die französische Sommelier-Legende Olivier Poussier in einem ersten Voiceover und legt damit, begleitet von einem Kameraschwenk über burgundische Weinlagen, Prämisse und Konklusion der weiteren 80 Minuten fest. Rasmus Dinesens TERROIR TO TABLE (Kinostart war am 25. Mai) beobachtet, mit großer Liebe zur Gastronomie, welche gegensätzlichen Meinungen zur Frage geeigneter Weinbegleitung durch (Sterne-)Küchen geistern: Passt Champagner zu Popcorn oder muss es immer Sauternes zur Foie Gras sein? Kann man Rotwein zu Fisch trinken? Die Suche nach der idealen Paarung von Herkunft und Anbau des Weines abhängig zu machen, ist der erklärte rote Faden von TERROIR TO TABLE.

Dinesen hat bereits zwei Dokumentarfilme über die Sterneküche gedreht: Michelin Stars. Tales from the kitchen (2017) und Nordic by nature. Michelin Stars (2021). TERROIR TO TABLe merkt man diesen Interessensschwerpunkt an. So kommen neben Winzer:innen, Önolog:innen, Ernährungswissenschaftler:innen und Sommeliers hauptsächlich und in der Mehrheit Köch:innen, wie Guy Savoy, Ken Frank oder Florencia Abella zu Wort: «Chablis with Seafood. I could do that every day», lässt uns der Napa Valley-Sternekoch Ken Frank wissen. «I prefer white wine to cheese», erklären die Sommeliers und Sterneköche unisono. Oder auch: «To roasted lamb I have a red from Ribera del Duero.» Solchen und weiteren Geständnissen von Sommeliers und Köch:innen lauscht man zuhauf, während die Kamera nur so über (Sterne-)Gerichte fliegt. Seine charmanten, zuweilen auch humoristischen Momente entwickelt der Film, wenn er seine verschiedenen Talking Heads-Expert:innen gegeneinander stellt und mittels Montage ihre kontrastierenden Geschmacksurteile vergleicht. Spannend ist hierbei, dass sich sowohl professionelle (Sommelier versus Koch), aber auch generationelle Unterschiede wesentlicher zeigen als etwa national-kulinarische Unterschiede in den Empfehlungen für die Essenbegleitungen.

Der Film erkundet die Liebe zum Wein von Frankreich ins Napa Valley, vom Burgenland bis nach Japan, um einen doch arg konstruierten (und auch zu langen) Exkurs zum Sake einzufügen. Zudem wird ein längerer Fixpunkt auf Rosé aus der Provence geleg, was vermutlich durch dem Umstand zu erklären ist, dass das Ehepaar Bengt und Mette Rode Sundström, die den Film produziert haben, dort ein Rosé-Weingut besitzen, dem einiges an Bildschirmzeit zugesprochen wird. Hier muss sich der Film schon Rückfragen gefallen lassen, wenn er vor diesem Hintergrund ausgerechnet Rosé zum Foodpairing-Allheilmittel verklärt.

In TERROIR TO TABLE wird dem titelgebenden (und in der Weinwelt durchaus gescholtenen) Großbegriff des Terroirs jedoch nur halbherzig nachgespürt. Was alles zum Terroir gehört, wieviel ‹Faktor Mensch› dort mithineinspielt oder ob es primär ein Zusammenspiel aus Frucht, Boden und Klima sind, sollten in dem Zusammenhang zumindest angedeutet werden. Terroir ist hier vor allem Anlass und Ausrede für Weintourismus. Die Zuschauer:innen folgen Flaschen während der mechanischen Abfüllung, schauen in pittoresker Ausgestaltung etwa dem steiermärkischen Winzer:innenpaar Tscheppe bei der Handlese der Trauben oder dem romantischen Pflügen der Rebflächen mit einem Ochsen zu. 

Man erfährt zwar von Mikrobiolog:innen einiges zur Wichtigkeit der Erdbeschaffenheit für die eigentliche Qualität des Weines, jedoch von Reberziehung, Mikro- und Makroklimata der Rebflächen und den Spezifika verschiedener Weinlagen recht wenig bis gar nichts. Das mögen für die jeweiligen Endverbrauchenden (von Film wie auch Wein) letztlich Spezialdiskurse sein, sollte aber durchaus angesprochen werden, um zu verdeutlichen, warum beispielsweise das so stark in den Fokus des Films gehobene Burgund bis heute die teuersten Weine der Welt produziert (wer sich wirklich mit diesen Zusammenhängen auseinandersetzen mag, dem seien Dokumentationen über Wein, Winzer:innen und den Beruf des Sommeliers ans Herz gelegt, wie die Reihe Somm (USA 2012), Somm Into The Bottle (USA 2015) und Somm 3 (USA 2018) sowie Uncorked (USA 2015)).

Ähnliches gilt für die Foodpairing-Ausführungen: Wer schon mal die Gelegenheit hatte, etwa Rieslinge aus unterschiedlichen Gegenden zu vergleichen, wird ohne Einwände zustimmen, dass es einen wahrnehmbaren Unterschied gibt zwischen verschiedenen Bodenbeschaffenheiten und Bodenqualitäten. Es lassen sich ohne weiteres Schiefer, Vulkangestein, Tonmergel und Kalk sensorisch voneinander unterscheiden und ebenso im Profil des Wein abbilden. Probiert man einen Riesling Kabinett von den Steillagen der Mosel oder einen auf Schiefer gewachsenen reduktiven Riesling von der Nahe wird man diese mitunter kaum für die gleiche Rebsorte halten.  

Abseits dieser vielleicht auch zu vernachlässigenden Schwächen macht TERROIR TO TABLE in erster Linie Lust und Laune auf Kulinarik und Weingenuß. Eine schöne Abrundung erfährt der Film in den Auseinandersetzungen mit verschiedenen Winzer:innentypen und ihren Weinen. Von konventionellem Rosé über nahezu Unerschwinglichem aus dem Burgund zu angesagtem Naturwein bzw. besser bezeichnet als Low-intervention-Wein, welcher beispielhaft vorgestellt wird am (Wein-)Gut Oggau des Ehepaars Stephanie und Eduard Tscheppe aus dem Burgenland. Die Herausforderungen und sich stetig ändernden Bedingungen des Weinbaus werden immerhin angerissen, wobei man sich doch noch mehr Positionierung angesichts der enormen Problematiken des Klimawandels gerade auch für die Weinbranche gewünscht hätte. Vor allem aber erklärt TERROIR TO TABLE Wein zum Sozialereignis. Bei allen, auch weiterhin geltenden, Foodpairing-Regeln und Konventionen sei in erster Regel erlaubt, was gefällt – und Hauptsache man verstehe Wein als ein Mittel des Zusammenkommens, Feierns und der Lebensfreude.

 

Terroir to Table (Rasmus Dinesen) DK/FR 2023