literatur

26. November 2008

Der doppelte Kluge Woran es liegt, wenn die Meinungen über Alexander Kluges Nachrichten aus der ideologischen Antike weit auseinandergehen.

Von Ekkehard Knörer

Thomas fragt im Filmtagebuch, wem er glauben soll – mir, der ich begeistert war von Kluges Marx-Projekt oder der Runde in der Jungle World, die beinah kein gutes Haar lässt am Barte des Propheten Alexander und seiner Suhrkamp-Runde.  

Wem man glaubt, hängt sehr davon ab, was man erwartet und will. Was Kolja Lindner zum Schluss des Gesprächs zur «Methode Walfisch» sagt, ist sehr richtig: «Kluge geht wie Eisenstein nach der von Hans Magnus Enzensberger beschriebenen Walfisch-Methode vor, alles einsaugen und gucken, was hängen bleibt. Nur dass Kluge ein Walfisch ohne Methode ist, anders als Marx, der mit dem Material gerungen hat, und Eisenstein, der die 49 Kilometer Filmmaterial für Oktober auf zwei Kilometer runterschneiden musste. Kluge zeigt uns einfach alles, was er in die Hände bekommt.» Lindner und die anderen mögen das nur nicht.

Systematisch ist an dem ganzen Projekt sehr genau gesagt: gar nichts. Das kann man ungut finden, als Marxist, als strenger Denker, als politisch Engagierter oder einfach als Freund des Systematischen.

Ich spreche davon, dass Kluge das Marxsche Werk als eine Installation begreift. Er klettert mit ein paar anderen Jungs und Mädels darin herum. Er findet Dinge, die ihm total gut gefallen. Die anderen finden auch Dinge, die ihnen total gut gefallen. Ich glaube auch, dass sie vieles falsch verstehen. Dass sie oft ziemlich kindisch sind.

Aber es macht Spaß, ihnen zuzusehen, wie sie sich freuen und wie sie kluge Sachen sagen. Doch, doch, das tun sie. Nicht alle, aber ziemlich viele. Und wirklich klug, wenn auch nicht immer als Marx-Egese. Übrigens gibt es Dinge die klug sind, dabei aber nicht unbedingt richtig. (Joseph Vogl!) Es ist ein bisschen, als weigertenn sie sich, auch das scheint all die ja nun gleichfalls sehr klugen Diskutierenden im Dschungel sehr zu empören, letzte Verantwortung zu übernehmen für das, was sie reden. Sie sprechen sie als Denker und Theoretiker an. In Wahrheit macht Kluge sie alle miteinander zu Performance-Künstlern.

Es ist ein Mummenschanz. Es ist Theater. Man muss das sehr von Helge Schneider her lesen. Ich würde ja nicht sagen, dass die bei der Jungle World versammelten Gesprächsteilnehmer keinen Humor haben. Den von Kluge verstehen sie aber nicht. Oder wollen es nicht. Sie nennen gute Gründe, aber mit diesen Gründen auch die Perspektive, aus der sich das anzusehen wirklich nicht lohnt.