medienbeobachtung

28. Februar 2012

Er habe stoisch an seinen Ansichten festgehalten Ich, Putin

Von Simon Rothöhler

© ARD

 

Gestern Abend doch etwas gewundert über die verschiedentlich gelobte ARD-Dokumentation Ich, Putin, die ihren privilegierten Zugang vor allem nutzt, um Putin als polyvalenten Sportler zu zeigen, der zwar nicht sonderlich begabt ist, aber immer genügend devote Mitstreiter um sich weiß. Bizarr auch der Soundtrack, den Hupert Seipel dazu ausgießt: Twin Peaks als Tonbrücke? Wer hat sich das denn ausgedacht? Die Höhepunkte des Films sind neben einem heftigen Lachanfall Putins (Reaktion auf die Frage, ob der Nato-Raketenschild nicht doch vor allem gegen Iran gerichtet sei) denn auch Archivaufnahmen, die schon länger legendär sind, etwa, als Putin, beim EU-Russland-Gipfel 2002 neben Javier Solana sitzend, einem kritisch nach Tschetschenien fragenden Journalisten eine «islamische Beschneidung» anrät («so dass nichts nachwächst») oder der Jelzin-Klassiker, bei der Kabinettsmitglieder vor laufender Kamera durch absurde Sitzordnungsspielchen gedemütigt werden.

In Marcel Beyers gerade erschienenem Band Putins Briefkasten heißt es: «Es kann nicht nur seiner Tätigkeit als Geheimdienstmitarbeiter geschuldet sein, es muß in der Person liegen, denn es handelt sich um einen Mann, dessen Leben so wenig anekdotisches Material bereithält, daß seine Biographen es als mitteilenswert erachten, Mitgliedern eines hiesigen Anglervereins sei damals der neu beigetretene, aus Leningrad stammende Mann ausschließlich wegen seiner unerträglichen Pedanterie aufgefallen. Er habe stoisch an seinen Ansichten festgehalten, wie etwa der Köder richtig am Haken anzubringen oder die Leine in einem ganz bestimmten Winkel auszuwerfen sei, weshalb seine Vereinskollegen nahe daran waren, die Freude an der ohenhin nicht außerordentliche Freuden bescherenden Anglerei zu verlieren» (Marcel Beyer, Putins Briefkasten, Suhrkamp 2012, S. 11).