venedig 2013

8. September 2013

Venedig 2013 Zur Filmbiennale

Von Michaela Ott

Die eine springt vom Balkon, die andere schlitzt sich die Handfläche auf, weitere fünf sterben durch Gas: Kinder und Jugendliche sind die bevorzugten Opfer in den Spielfilmen des diesjährigen Filmfests von Venedig. Aber auch andere kommen um. Gestorben wird wie nie, eine Orgie des Sterbens breitet sich am Lido aus. Dabei geht es nicht um Krieg  oder Naturkatastrophen, welche Menschenopfer fordern; auch ist das Sterben nicht eines, in dem der Tötungsakt realitätsnahe Schauwerte erzeugt. Morde und Selbstmorde, Endzeitstimmungen, Düsternis, äußere und innere Abgründe entfalten sich in unauffälligen Milieus, scheinbar grundlos, ohne tragische Spitzen und expressive Gesten und vorzugsweise in westlichen Filmen, aus den USA, Griechenland, Deutschland und anderen Ländern mehr. Ohne Mord und Selbstmord geht keine Familiengeschichte mehr zu Ende. Soviel Thrill muss wenigstens sein, dramaturgisch kaum hergeleitet, nebenbei als Tatsache dargeboten, häufig zuerst im Ton nahegebracht: Der Grund? Einsamkeit, gesellschaftliche Randständigkeit, Sinn- und Sprachlosigkeit. Je netter und scheinbar verbindlicher die Normalmenschen, umso unweigerlicher die Entscheidung zum finalisierenden und finalen Akt, dessen Erklärung dem Zuschauer überlassen bleibt. Die Bilanz des Filmfests anlässlich seines 70jährigen Jubiläums: Der Film ist zum Serienmörder geworden. Schrecken und Jammer sind die Affekte, die von Aristoteles' Poetik übrig geblieben sind. Mitempfinden wird allenfalls erkennbar als Hilfe zum Sterben, als Erlösung von Schlimmerem.

Erstaunlich die Menge an Filmen, die sich der häuslichen Szene widmen, dem sattsam verleumdeten Hort der Gewalt, der, so hätte man glauben können, in seinen Abgründen mittlerweile ausgeleuchtet ist. Aber nein: In seiner krassesten Variante, dem griechischen Wettbewerbsbeitrag Miss Violence von Alexandros Avranas, der mit dem beiläufigen Sprung einer der Töchter vom Balkon beginnt, wird der Vater als Vergewaltiger mehrerer seiner Töchter und als deren Zuhälter zugleich offenbart. Am Ende liegt er in seinem Blut: Wie in den anderen Filmen wird über das Übel nicht gesprochen, wird den Frauen mit Kuchen und Eis der Mund gestopft. Die Frauen verschiedenen Alters,  in die wenig kontrastreiche ärmliche Wohnung und dürftige Ästhetik gepfercht, werden allesamt missbraucht, keine spricht. Auch nicht, als die Schwester gesprungen ist. Bevor allerdings noch eine springt, greift die Großmutter zum Küchenmesser und verhilft dem Film zu einem erlösenden Schluss. Dann endlich lächelt die erwachsene Tochter, die vermutlich zum dritten Mal vom eigenen Vater schwanger geht. (Der Film wurde mit dem Silbernen Löwen geehrt)

Auch der deutsche Wettbewerbsbeitrag von Philip Gröning, Die Frau des Polizisten, driftet trotz aller Heimeligkeit ins Unergründliche ab. Die backsteinbewehrte Eigenheimatmosphäre, in dem das Familientriangel aus Polizistenvater, Mutter und Kind ein von scheinbarer wechselseitiger Gewogenheit getragenes Familienleben entfaltet, vibriert plötzlich von harten Schlägen und auditiven Schocks. Obwohl die Kamera intensiv die Zuwendung der Mutter zu ihrem Kind, aber auch ein spaßbetontes und körpernahes Eheleben in den Blickpunkt rückt, zeigt die Haut der Frau immer mehr blaue Flecken, wird der Ton zwischen den Eheleuten laut und der Umgang rüd. Erneut spaltet ein nicht erklärter Abgrund das Familienleben, führt zu Schlägen und Unregelmäßigkeiten, so dass der Polizist ob des Verlusts seiner «logistischen Basis» seinen Kontrollsinn verliert und den Polizeifunk zum Auffinden seiner Frau in Einsatz bringt; auch hier endet das scheinbare Normalleben mit einem Tötungsakt. Die um sich greifende Normalitätsstörung führt zu Irritationen auf der Ebene des Bildes: Obwohl der Erzählstrang durch Unterteilungen in winzige, durchgezählte Kapitel in Schach gehalten wird, bricht das Bild unvermittelt aus, thematisiert sich selbst, stellt Körperoberflächen und Nichtdurchblicke aus. Gesichtsbilder werden unscharf und nähern sich malerischen Verfahren wie etwa jenen von Gerhard Richter an. Die damit eröffnete Spannung zwischen Bildverrätselung und formalistischer Komposition gerinnt jedoch nicht zu einem überzeugenden Ausdruck von zeitgenössisch Unerträglichem, auch wenn er mit dem Spezialpreis der Jury geehrt worden ist. Im Kontext der venezianischen Wirklichkeitsbefragungen wirkt der Film pedantisch durchnummeriert, deutsch.

Um den Vater-Sohn-Nukleus kreist, wie so oft und so auch diesmal wieder bei Gianni Amelio, der italienische Wettbewerbsbeitrag L’Intrepido/The lonley heart. Dabei verspricht er uns allerhand Einblicke in die Arbeitswelt: Da der Vater als chaplinesker Zeitarbeiter von Jobeinsatz zu Jobeinsatz hüpft und immer gerade irgendjemanden an dessen Arbeitsstelle vertritt – was den Film durch zahlreiche, letztlich dann doch zu wenig ausgeleuchtete Arbeitswelten gleiten lässt –, da der Vater also keine symbolische Instanz und kein Leitbild abgeben kann, findet auch der Musikersohn seinen gesellschaftlichen Ort nicht. Weil der Vater gleichwohl an ihm dran bleibt und zuletzt sogar ihn beim Saxophonspielen in schöner psychoanalytischer Umkehrung vertritt, zeigt die letzte Einstellung doch eine gelingende Platzhalterschaft, die dem Sohn eine Rückkehr ins Leben eröffnet – und dem Film ausnahmsweise die Leiche erspart.    

Ganz anders die väterliche Fürsorge in dem Orizzonti-Beitrag Medeas von Andrea Pallaoro, der die Genderspezifik der mythischen Rolle auf das andere Geschlecht überträgt; für das Kindersterben braucht es hier keinen Eifersuchtswahn mehr. Aus ausgesuchten Blickwinkeln wird ein armes bäuerliches Familienleben der 70er Jahre in den USA, nahe der mexikanischen Grenze, in seiner materiellen Ärmlichkeit nahegebracht. Da es nicht regnet, da der Boden immer trockener wird, da der autoritäre Vater immer weniger weiß, wie das Benzin bezahlen und seine fünf Kinder ernähren, aber auch wie umgehen mit der sich sexuell verweigernden taubstummen Ehefrau, lässt er schließlich das Gas ins Innere seines Lasters fließen, in dem er die Kinderschar untergebracht hat. Unverhofft, auch hier ohne verbale Erklärung, ist alles zu Ende; die Mutter steht allein im Regen und hat keine Sprache für ihr Leid. 

Wenig verwunderlich daher, dass auch ökologische Fragestellungen mit dieser dramaturgischen Invariable verbunden sind. Der US-amerikanische Wettbewerbsbeitrag Night Moves von Kelly Reichardt, von Vielen als Favorit gehandelt, thematisiert in dokumentarnahen Einstellungen den Niedergang von Wäldern aufgrund der Kanalisierung von Wasser durch Staumdammbau und lässt dabei das Verhältnis der Personen zu ihrer Umgebung und zu sich selbst niedergehen. Im Stil der zeitgenössischen dunklen, die Wirklichkeit verdächtigenden US-amerikanischen TV-Serien kippt das Gutgemeinte ins Gegenteil und zeitigt Folgeschäden: Bei der heimlichen Sprengung eines Staudamms durch eine Gruppe von Umweltaktivisten kommt ein Camper ums Leben, was die Seelen der Bäumeretter ins Schleudern bringt. Ohne offen dieser Tat verdächtigt zu werden, machen sie sich verdächtig durch ihre Angst, ihre neue Verschlossenheit, ihren Versuch nicht aufzufallen; auch hier endet es mit Mord. Die übermächtig werdenden Ängste können längst nicht mehr durch psychoanalytische Verbalisierungstechniken ruhig gestellt werden. Sie erzwingen Dramaturgien, die durch Aussparungen, Brüche, Lautstärkewechsel und Ausweglosigkeitsandeutungen gekennzeichnet sind. Sie lassen das strahlende Licht am Lido merkwürdig zwiespältig werden, das doch vor der Kinotür, anders  besehen, hell und sommerlich freundlich ist.

Dass die Jury unter dem Vorsitz von Bernardo Bertolucci den düsteren Filmen und apokalyptischen Stimmungen nicht zugeneigt war, lässt sich unter anderem an der Nichtauszeichnung der Kultregisseure James Franco und Terry Gilliam ablesen. Martina Gedeck, Jurymitglied, gab denn auch zu Protokoll, dass sie Filme beachtenswert findet, die Schönheit ins Leben bringen und sich auf die Seite des Vitalen schlagen – Düsternis, Endzeitstimmung seien eh geschenkt. Tragisch nennt Terry Gilliam seine neue futuristische Vision von The Zero Theorem, die die Verkapselung der Zeitgenossen in die Technowelt und ihre Unfähigkeit, daraus hervorzutreten, exponieren will. Eine verschlossene und exzentrische Figur, dem Bild paranoischer Intellektueller à la Michel Foucault nachempfunden, gespielt von Christopher Waltz, schließt sich in ein morbides Gothic-Ambiente ein, um auf die alleinzige Antwort zu warten, die ihn über seine Lebensbestimmung informieren soll. Angeschlossen an eine Vielzahl von elektronischen Apparaten lässt sich der Kontrollfreak über seinen Gesundheitszustand informieren oder zum Hochladen von Daten auffordern, da das Null-Theorem erfüllt werden müsse – der Film strudelt zwischen Bildern vom Urchaos und von würfelartigen Datengebäuden dahin. Die filmdramaturgisch stereotyp bemühte Sinnstiftung wird dem Einzelgänger hier über den Umweg virtueller Erfahrung nahegebracht: Sie liege in der leidenschaftlichen Begegnung mit einer verführerischen Frau, wie er sie in virtuellen Liebesnächten an traumhaften Stränden erleben darf, während sich die Nymphe ihm in der Realität entzieht. Nur in der ambivalenten Bejahung der eigenen Leidenschaften sei die eigene Bestimmung zu finden, betont Gilliam, unter der Maßgabe freilich, dass die Zukunft bereits Gegenwart geworden ist. 

Eingesperrt in Einzelgängertum und gesellschaftliche Isolation ist auch der Held von James Francos Film Child of God nach dem gleichnamigen Roman von Cormac McCarthy. Ausweglos in Gewalt gefangen erscheint die Existenz dieses Außenseiters, der Gesellschaft finden möchte, aber nicht kann. Scott Haze gibt den Charakter eines Wilden, der nicht nach Thoreaus Devise im freiwilligen Rückzug in den Wäldern lebt, sondern zu dieser Wildheit verdammt ist und für das Ausagieren dieses Fluchs wohl eine Auszeichnung verdient hätte; sein einziges Artikulationsinstrument ist seine Flinte, mit der er Wild stellt, aber auch umbringt, was ihm sonst noch vors Visier kommt. Er wird quasi naturgegeben zum Serienmörder, vergewaltigt und tötet Frauen, wird inhaftiert, freigelassen, auf dass es von vorne beginnt. Dabei sucht er nach Zuneigung, umsorgt Stofftiere, die er auf einem Jahrmarkt schießt; wie bei den kleinbürgerlichen Familien schlagen ihm die Versuche, eine wenig Innenwelt zu errichten und auszustaffieren, in gewaltsames Ausagieren um: Er erschießt seine Stofftiere stellvertretend für alles, was man ihm im Leben vorenthalten hat. James Franco, der zahlreiche Filme über verschiedene Künstler auch auf der Basis anderer Literatur, etwa «As I lay dying» von William Faulkner gedreht hat, interessiert sich, wie er sagt, für extreme Personen und die Gewalt, die sie, wenn auch kontrollierter und unauffälliger, umgibt: Wie im deutschen Beitrag wird das angefahrene Wild als Zivilisationsopfer ebenso thematisiert wie der Frust des Polizisten, der aus Langeweile sein Schießwerkzeug in Einsatz bringt. Dieses Maß an Übergriff als letzte Möglichkeit, den anderen überhaupt noch zu begegnen, verlangt dem Zuschauer zu viel Mordverarbeitung in Folge ab.

Tiefer berührt da eine andere in ihre Einsamkeit verkapselte und kauzige Figur in dem schwarzhumorigen Orizzonti-Beiitrag Still Life von Uberto Pasolini: Ein Nachlassverwalter von tot aufgefundenen Personen, um die sich niemand kümmert und die nicht viel mehr als ein paar Fotos hinterlassen, sorgt sich um deren Bestattung und darum, mögliche Beisteher für die Beerdigung unter deren früheren Bekannten zu finden. Anlässlich der Abwicklung eines solch traurigen Falles wird ihm selbst gekündigt, wird ihm der letzte Halt in dieser seiner Beschäftigung, die der Film in ihren eher farblosen Details getreu dokumentiert, geraubt. Dabei begegnet ihm die Tochter seines letzten «Falls», die ihn, der den Strang schon bereit gelegt hat, noch einmal ins Leben zurückholt – nur leider nicht endgültig. Auch hier sehen wir zuletzt das unaufgeregte Bild der Blutlache neben dem Kopf, wie es bereits die vom Balkon Gesprungene gekennzeichnet hat. Happy Ends sind selbst ausgestorben, das zeigt auch dieser Film, der so nah an einem dran war: Ein Sterben vor der Zeit, ohne medizinische Lebensverlängerungspflege und kathartische Wendung, erscheint als das glimpflichere Ende des Films.    

Welche Erlösung daher, nach all den todbringenden Erschütterungen, das humorvoll erzählte Drama von Stephen Frears: Philomena! So merkwürdig vorgestrig die Geschichte einer irischen Dame, der von fanatischen Nonnen seinerzeit ihr uneheliches Kind weggenommen wurde und die nun darum kämpft, zu ihm wieder Kontakt zu erhalten, so sehr bettet sie den Zuschauer in ein konkretes komisch-tragisches Geschehen ein, wunderbar inkorporiert von Judy Dench, mit einem versöhnlichen Ende.

Auf Anhieb geliebt wurde auch ein weiterer italienischer Wettbewerbsbeitrag, Sacro GRA von Gianfranco Rosi: Eine liebevolle Dokumentation, halb soziologisch, halb märchenhaft, von höchst unterschiedlichen Leben entlang der römischen Ringautobahn. Wir sehen Schauspielern, Botanikern, modernen Prinzen, Doktoren und Fischern in ihren verschiedenen Behausungen und bei ihren teils bizarren Gepflogenheiten zu und hören Geschichten von den Rändern der ewigen Stadt Rom. Obwohl letztlich zu unverbindlich und ästhetisch zu wenig zugespitzt, wurde der Film für seine facettenreiche Allegorie der Gegenwart mit dem Goldenen Löwen beschenkt. 

Vor allem politisch korrekt erscheint daneben, dass Amos Gitais Dokumentarfilm AnA Arabiader in einem 81-minütigen Kameraschwenk das Leben mehrerer Israelis miteinander verbindet, den «Bresson-Preis» erhielt. Ana Arabia gibt einen Moment im Leben einer Gruppe von Außenseitern, Juden und Arabern, in einer vergessenen Enklave zwischen Jaffa und Bat Yam in Nordisrael wieder. Auf der Basis der historischen Tatsache, dass eine dort lebende Jüdin, die in Auschwitz geboren wurde, mit ihrem moslemischen Mann 5 Kinder und 25 Enkel bekommen hat, geht Yael, eine junge Journalistin, auf die Suche nach diesem besonderen Ort friedlicher Koexistenz, den der Film, allerdings wenig aussagekräftig, als universalisierbares Vorbild präsentieren will. Ein wenig pflichtschuldig wirkt auch die Vergabe des großen Jury-Preises an den Taiwan Film Jiaoyou/Stray Dogs von Tsai Ming Lian als einem der sehr wenigen nicht-europäischen Filme des Festivals, der eine anrührende Schilderung des Überlebenskampfes eines armen Vaters mit seinen zwei Kindern bietet.

Eine aussagekräftigere Dokumentation stellt da schon Erroll Morris' Porträt von Donald Rumsfeld dar, den er über sein enormes Archiv an Memoranden sprechen lässt, die dieser in fast fünfzig Jahren Dienst im Kongress, im Weißen Haus und zweimal im Pentagon verfasst hat. Die Memoranden eröffnen ein Geschichtsbuch und Einblicke in Rumsfelds Selbsterklärungsnarrative, zu denen auch die Leugnung von Folter in Guantanamo gehören. Wie Morris sagt, hätten ihn der Selbstwiderspruch in Rumsfelds Aussagen, seine Gefangennahme in den eigenen Deutungen und all das, was innerhalb des Wissbaren unbekannt bleibt, interessiert. The unknown known lässt Geschichte vor dem Zeitpunkt ihrer Realisierung wieder erstehen, insofern Rumsfeld von seinen Vorstellungen und dem Möglichkeitsraum vor der Entscheidung berichtet und die Historie revirtualisiert…. 

Ein merkwürdiger Ruch des Konstruierten haftet dagegen dem chinesischen Spielfilm Shuiyin Jie/Trap Street von Vivian Qu in der Rubrik Semana della critica an: Als antichinesische Propaganda sei er sicherlich vom Filmfest bestellt und finanziert worden, politisch korrekt von einer chinesischen Regisseurin gedreht. Er erzählt die Geschichte eines jungen Landvermessers, der sich auf der Straße in eine Frau verliebt, sie mit seinen Beobachtungsgeräten ausleuchtet, bis er sie in sein Auto bekommt, wo sie ihre Brieftasche verliert. Weil er ihr diese Brieftasche nachträgt und zugleich beider Begegnung mit seiner elektronischen Uhr nach Längen- und Breitengrad festhält, kann er verortet und verdächtigt werden, Staatsgeheimnisse gestohlen zu haben – arbeitet die Geliebte doch in einem Chemielabor und hat USB-Sticks in ihrer Brieftasche gehabt. Angedeutet werden Folterszenen und eine Traumatisierung des jungen Mannes: Läuft der Film gerade ob dieses vom Westen gehätschelten Chinabilds nicht im Wettbewerb?

Ein italienischer Kurzfilm erkennt jedenfalls die Problematik eines Daseins als Chemikerin ganz wo anders: In Con il fiato sospeso rekonstruiert Costanza Quatriglio das tragische Schicksal einer italienischen Studentin, die sich aufgrund intensiver chemischer Forschungen einen Lungenkrebs zuzieht und daran stirbt; ihr Fall wurde vor italienischen Gerichten verhandelt und ist gleichwohl bis heute im Hinblick auf die Schuldfrage der Institution nicht geklärt. Im Biennaleprogramm lief er zusammen mit dem Kurzfilm des portugiesischen Regisseurs Miguel Gomes, Redemption, der in Hochgeschwindigkeitsmontage vier Stimmen aus verschiedenen europäischen Ländern mit found-footage-Bildmaterial aus dem jeweiligen Land zu einem enigmatischen Kaleidoskop europäischer Unübersichtlichkeit kombiniert: Ein letzter Aufruf, ins Leben zurück zu finden, zur Wiedererstehung Europas in diesem Fall?